Zug in Zeitschnitten 1830 -1992

Inhalt
Stadtentwicklung Projektion
Was zeigen die Zeitschnittpläne
Arbeitsbericht
Zeitschnittpläne

Zug in Zeitschnitten 1830 -1992

Stadtentwicklung in ihrer Projektion auf Gebäudegrundrisse
Irma Noseda, René Peter

Die folgenden zwölf Seiten sind eine mögliche Art, die Stadtentwicklung von Zug darzustellen, genauer den flächenmässigen Zuwachs der Siedlung und dessen Struktur. Das Mittel, das wir dafür gewählt haben, sind Plan-Umzeichnungen, die möglichst genau die gebaute Substanz der Gemeinde Zug in regelmässigen Abständen wiedergeben. Derselbe Massstab, eine einheitliche Darstellungsart und gleichbleibender Kartenausschnitt gewährleisten die Vergleichbarkeit der verschiedenen Zeitschnitte.
Die Stadt ist ein Organismus, der stets in Bewegung ist. Einen fixen Zustand gibt es kaum, es sei denn während ein paar Nachtstunden. Mit Tagesanbruch setzen die Bauarbeiten ein: die in der gängigen Vorstellung unverrückbare Stadt wird in Bewegung versetzt. Während an einer Stelle ein Haus abgebrochen wird, wird anderswo umgebaut, aufgestockt, neu gebaut. (Diese Tatsache hat uns auch einiges Kopfzerbrechen bereitet beim Umzeichnen des Planes von 1992: nehmen wir die Baugrube eines bewilligten Gebäudes in den Plan auf? Wir haben zukunftsgläubig alle Projekte, die Ende September eine Bauerlaubnis besassen, aufgenommen. Für einmal wollen wir von Zugs Baufieber nicht eingeholt werden!)
Das für die Stadt wesentliche Phänomen der steten Veränderung kann also nur in der Abfolge von vergleichbaren Plänen zum Ausdruck kommen. Darum sind die Zeitschnitte im Zuger Neujahrsblatt zweimal abgedruckt, einmal im gebundenen Teil und einmal als lose beigelegte Transparentblätter. Ein freies Neben- und Übereinanderlegen der Pläne macht das Prozesshafte der Stadtentwicklung besser nachvollziehbar.
Eigentlich wollte ich (die Kunstwissenschaftlerin) die Zeitschnitte nicht stur alle 15 Jahre festlegen, sondern inhaltlich, nach von mir evaluierten Perioden der Stadtentwicklung. Rene Peter, der schon beim Umzeichnen der Pläne für die Publikation «Zürich in Zeitschnitten» Erfahrungen gesammelt hatte, bestand auf 15-Jahres-Schnitten und liess mir offen, für die Veröffentlichung und Kommentare meine Auswahl zu treffen. Bald wurde mir aber klar, dass sich Stadtentwicklung auf dem Plan anders niederschlägt als in den Köpfen von GeisteswissenschaftlerInnen: Was als ein wirtschaftlich und kulturell einschneidendes Datum festgemacht werden kann, wie beispielsweise die Eröffnung der Eisenbahn 1864, hat vorerst auf dem Plan nur eine Linie und ein Pünktchen, das Bahnhofgebäude, zur Folge. Ein Zeitschnitt-Plan in diesem Jahr wird der städtebaulichen Bedeutung des Ereignisses nicht gerecht. Der kleine Punkt öffnet erst das neue (nur virtuelle, nicht darstellbare) Kräftefeld zwischen neuem Bahnhof und bestehender Stadt, wo sich in den folgenden Jahren ein Stück Stadt heraus- und umbilden wird. Besseren Aufschluss über die neue Dynamik gäben die steigenden Bodenpreise, die Häufigkeit der Handwechsel von Grundstücken und die Eröffnung von Tavernen in der Nähe von Zugs erstem Bahnhof. Pläne dagegen geben eine stark verzögerte Bewegung wieder.
Es stellte sich also heraus, dass Planschnitte, welche die baulichen Konsequenzen einer Entwicklung erfassen, zeitlich oft weit entfernt sind vom Ereignis, das die Entwicklung ausgelöst hat. Nach einigem Abwägen scheinen mir daher regelmässige Zeitschnitte eine griffigere Möglichkeit, die Entwicklung einer Stadt zu verfolgen.

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Was zeigen die Zeitschnittpläne?

Man sieht die unverwechselbare Gestalt der Altstadt und kann mitverfolgen, wie sie in Bewegung, in teilweise Auflösung gerät, wie die wachsende Stadt des 19. und des 20. Jahrhunderts nach einer neuen Gestalt zu suchen scheint. Der durch einen Gemeinsinn definierten Stadtgestalt des Mittelalters hat die Neuzeit wenig Ebenbürtiges entgegenzuhalten.
Auf den einzelnen Plänen sind die Häuser als kleine, schwarze (Grundriss-) Flächen abstrahiert. Man sieht den Abstand zwischen den Häusern, der mit einer gewissen Nähe als städtisch empfunden wird. Sind die Zwischenräume klein, erkennen wir die Strassen, die Adern des Stadtlebens, welche auch die Stadträume und das Stadtmuster festlegen.
Man erkennt verschiedene Arten von Stadtmustern in den verschiedenen Quartieren. Sie haben meist einen direkten und einen indirekten Zusammenhang mit der Landschaftsformation. So wird eine grossflächige Fabrikhalle auf möglichst ebenem Baugrund erstellt, während am Hang die Mehrkosten von Stützmauern für eine Villa die Vorteile bezüglich Besonnung, Aussicht und gesellschaftliches Prestige aufwiegen.
Weitere Indikatoren der Stadtentwicklung sind die grossräumigen Verkehrserschliessungen. Beim Ausbau der Zuger Industrie war wohl die Nähe zur Bahn ebenso wichtig wie die zum Bauen vorteilhafte Topographie; umgekehrt war sicher die Topographie für die Linienführung der Eisenbahn von ausschlaggebender Bedeutung, was die Ansiedlung von Industrie wiederum beförderte. Diese Zusammenhänge und ihre Folgen für die Stadtentwicklung sind auf den Zeitschnitt-Plänen seit 1905 gut ablesbar. Die dezentralisierende Wirkung, welche die Autobahn in jüngster Zeit auf Zug-West ausübt, wird erst in zehn bis zwanzig Jahren in ihrer städtebaulichen Konsequenz planerisch dargestellt werden können. Eine andere, noch zu entwickelnde Art von ZeitschnittPlan mit Informationen über die Grundstückpreise gäbe interessanten Aufschluss über die wahrscheinliche bauliche Stadtentwicklung.
Stadtentwicklung kann selbstverständlich auch durch Gesetze in Gang gebracht werden. Zum Beispiel durch das Zuger Steuergesetz aus den 1930er Jahren, welches erst auf den Stadtplänen der 1980er Jahre schwarze Grundrissflecken zeitigt.
Und noch etwas gilt es zu bedenken: Der Flächenzuwachs einer Stadt, wie er auf den Plänen anschaulich wird, ist nur ein Teil der baulichen Realität. Das Wachstum des Bauvolumens hingegen wird mit diesem Verfahren nicht erfasst. So erscheinen beispielsweise die Toblerone-Hochhäuser in Oberwil als zwei kleine Dreiecke, während die eingeschossige Teppichsiedlung im Herti ein Vielfaches an Fläche schwärzt. In diesem Fall steht die Darstellung auf dem Plan sogar im umgekehrten Verhältnis zu den effektiven Bauvolumen.

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Arbeitsbericht

Was ist auf den Zeitschnittplänen zu sehen? Grundlage für die Zeitschnittpläne war die Landeskarte 1:25'000. Für unsere Darstellung der baulichen Entwicklung der Stadt Zug 1830-1992 in einem Rhythmus von 15 Jahren war die radikale Vereinfachung der Karte sinnvoll. Damit die Dynamik des Prozesses sichtbar wird, wurde ein regelmässiger Zeitabstand gewählt. 15 Jahre erwiesen sich bereits bei der Umzeichnung der Pläne zur Darstellung von Zürichs Stadtentwicklung als sinnvoll. Das Stadtbild veränderte sich in diesen Zeitabständen jeweils so sehr, dass Unterschiede dazwischen überhaupt sichtbar werden. Dennoch ist der zeitliche Abstand nicht so gross, dass die Zyklizität der Entwicklung verdeckt und der Anschein eines linearen Fortschritts erweckt wird.
Die Stadt Zug setzt sich auf den Zeitschnittplänen aus einzelnen schwarzen Flächen zusammen, welche die Grundrisse der Häuser darstellen. Strassen wurden keine eingezeichnet. Im Überbauungsbereich zeichnen sich die Strassen mit zunehmender Baudichte ab. Um die Stadt in der Landschaft zu situieren, wurden Linien für das Seeufer, für die Bäche und solche eingezeichnet, welche die Lorze und einige Weiher einschliessen. Sehr fein sind die Höhenkurven zur Darstellung des Reliefs wiedergegeben.
Die Eisenbahn wurde als «Kanal» aufgefasst, der das Gelände durchschneidet und nur an bestimmten Stellen durch eine Passage (z.B. eine Brücke) passierbar ist. Um die Eisenbahn als technisches Werk zu kennzeichnen, sind die Linien, die den Bahnraum eingrenzen, mit dem Lineal gezogen.
Mit Linien wurden auch die zwei wichtigen Sportplätze im Herti sowie fünf siedlungsrelevante Mauern eingetragen: die Stadtmauer, die Burgmauer, die Klostermauer, die Gefängnismauer und die Mauer des Strandbades. Im übrigen sind Tiefbauten, Uferverbauungen, Stützmauern, Brücken, Rampen usw. weggelassen worden.
Mit welchen Interpretationsschwierigkeiten ist zu rechnen?
Die Zeitschnittpläne leben nicht von der Vielzahl verschiedener Informationen, sondern von der Klarheit, die durch konsequente Reduktion entsteht. Diese verlangte beim Umzeichnen der Pläne manche Entscheidung, beispielsweise ob Perrondächer und ähnliche Elemente aufzunehmen seien. Sie wurden hier weggelassen.
Wo soll die Stadtgrenze gezogen werden? Wir wählten nicht die siedlungsmässige, sich dauernd verändernde Stadtgrenze, sondern die konstante, politische Grenze. Das hat zur Folge, dass auf den früheren Plänen die Stadtsiedlung in offenem Gebiet liegt, auf den neusten Plänen aber an der Baarer Gemeindegrenze abbricht, obwohl sich dort die aufs Zentrum Zug bezogene Siedlung fortsetzt und dahin tendiert, mit jener von Baar zu einem grossen Siedlungsensemble zusammenzuwachsen. Gegen Süden bleiben grosse Flächen weiss, d.h. unbebaut. Höhenkurven und Seeuferlinien lehren uns, wie sehr die Landschaftsgestalt die Stadtentwicklung Zugs mitbestimmt hat.
Ein weiteres Problem der Interpretation stellt sich beim sehr unterschiedlichen Seeuferverlauf im alten Lorzedelta. Dieser ist möglicherweise auf Interpretationsschwierigkeiten der Kartographen zurückzuführen. Denn die sumpfige Ebene wies bestimmt einen sehr fliessenden Übergang zwischen Wasser und Land auf.
Ähnliche Schwierigkeiten ergeben sich bei der Beurteilung der Gebäudegrundrisse auf den Karten vor 1935. Belegen gewisse Veränderungen von Karte zu Karte die Änderung eines Gebäudes, oder wurden diese von den verschiedenen Kartographen anders dargestellt? In vielen Fällen ist uns das nicht bekannt. Insofern sind die «Fehler» der Kartographen auch die unseren. Sicher kann die Baugeschichte vieler Gebäude einzeln verfolgt werden, uns jedoch war das aus Zeitgründen unmöglich.
Dennoch konnten einige Stellen im Stadtplan für die Karten von 1830 - 1890, die besonders unklar waren, verbessert werden. Dabei waren uns Toni Hofmann von der Kantonsarchäologie und Christine Kamm-Kyburz, die Bearbeiterin des INSA Zug (Inventar der neueren Schweizer Architektur) behilflich. Das Bauamt und das Kantonale Vermessungsamt, aber auch die Zentralbibliothek Zürich stellten uns ihr Material ohne Umschweife zur Verfügung. Dafür danken wir bestens.

Weiter gewährten uns das Zuger Staatsarchiv, das Museum Burg und die Stadtbibliothek Einsicht in ihre Pläne, ohne die die vorliegende Arbeit nicht hätte ausgeführt werden können.

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Zeitschnittpläne

Als Grundlage für die Zeitschnittpläne wurden die Kartenausgaben verwendet, die dem 15 Jahre-Rhythmus am nächsten kamen und das ganze Gemeindegebiet abbildeten. Ideal waren der Massstab 1:10'000 und eine so feine Auflösung der Gebäudegrundrisse, wie sie die heutige Landeskarte 1:25'000 wiedergibt.
Die Karten 1:25'000 wurden mittels Photokopierer auf den Massstab von 1:10'000 vergrössert und anhand weiterer Karten und Pläne sowie der Literatur auf den Stand des Jahres unserer Zeitschnitte präzisiert. Anschliessend wurden die so bereitgestellten Karten 1:1 auf Folie übertragen. So zeigen die Zeitschnittpläne eine Bebauung, die dem Stand des jeweiligen Datums in etwa entspricht.
In der Liste «Pläne und Karten der Stadt Zug 1770-1990» sind alle Pläne und Karten aufgeführt, die wir ausfindig machen konnten und entsprechend unserer Vorgehensweise zur Arbeit beigezogen haben.

Erschienen in: Zuger Neujahrsblatt 1992

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